Das Maß aller Dinge
Aufgeregt,
die schmalen Wangen gerötet, hat der Züchter von ihr berichtet.
Damals, vor ziemlich genau zwei Jahren. "Dieses Pferd ist das
Maß aller Dinge. Dieses Pferd ist der Traum meiner schlaflosen
Nächte. Dieses Pferd ... Dieses Pferd!"
"Dieses
Pferd wäre eines zuviel! Zwei Stuten sind ausreichend!"
Der
Züchter hat immer wieder verrückte Ideen - die ihn viel Kosten und
mir viel Arbeit machen.
Die
Südtirolerin und das Pony in unserem Stall - die beiden sind doch
perfekt für uns. Sie sind alle beide unfassbar brav. Sie strotzen
vor Gesundheit und beglücken den Züchter mit guten, gesunden
Fohlen! Und das wichtigste - die Kinder können sie beide gut
händeln. So brav sind diese beiden Stuten nämlich!
Ich
lasse den Züchter also weiter träumen und tue es ab. War es nicht
kurz zuvor noch dieses eine ganz besondere Fohlen, dass er unbedingt
hatte haben müssen? Und davor - war es davor nicht diese unfassbar
perfekte Stainz-Tochter gewesen? Nun ja, er würde auch über dieses
Pferd - dem Maß aller Dinge - hinwegkommen.
So
dachte ich!
Doch
eigentlich kenne ich den Züchter viel zu gut. Und eigentlich ist es
mir gleich klar gewesen, dass dieses Thema noch nicht so schnell vom
Tisch käme.
Und
dann kommt da auch noch die Anfrage vom Voltigierverein. Das
Nachhaken und die wirklich guten Angebote - und das mittlerweile
schon leicht bockige Nachbohren vom Züchter.
Und
schließlich willige ich ein. Die Südtirolerin, meine Freundin,
verlässt unseren Stall und das "Maß aller Dinge" nimmt
ihren Platz ein.
Ach,
nein, es macht mir nichts aus. Ein Pferd kann man so lieben wie das
andere und die Südtirolerin ist nicht aus der Welt - nur im
Nachbarort.
Ach,
das Maß aller Dinge ist jung, es braucht Zeit sich einzugewöhnen -
wir brauchen Zeit um sie kennenzulernen, dann wird es alles eben so
gut klappen, wie zuvor mit der Südtirolerin. Wir geben ihr alles was
sie braucht. Zuneigung, Liebe, Geduld.
Geduld
... Wie lange kann man denn geduldig sein? Nun ja, der Knoten wird
schon platzen. Es wird schon vorangehen. Ein Schritt vor, zwei
Schritte zurück.
Aber
eine gute Mutter ist sie. Schau nur! Wie liebevoll sie mit den Fohlen
ist. Doch gib bitte Acht, wenn du sie anfä ... KIND! NICHT SO DICHT
AN DER HINTERHAND STEHEN! Uff, nichts passiert.
Komm,
reiten wir aus. Das mag sie. Weit schauen, in langen Schritten
laufen. Schnell sein dürfen wie der Wi ... Meine Güte, wie sie
wieder bockt! Direkt beim Aufsitzen. Komm, wir machen langsam. Ein
Schritt vor dem ande ... Verdammte Hacke! Beinahe wäre sie in das
parkende Auto gesprungen. Steig ab! Pferdemädchen steig ab - das ist
es nicht wert!
Gut.
Gut, bleib drauf, aber dich an meiner Seite - damit ich notfalls
eingreifen kann.
Nun
ist es wieder gut. Schau Züchterin. Wenn sie merkt, dass sie mich
nicht los wird, dann ist sie ganz artig.
Gott,
dieses verdammte Pferd! Geduld ist eine Tugend.
Aber
schau nur, wie schön sie ist! So wunderschön, wie ihr Opa. Und zu
den Fohlen ist sie so gut. Und manchmal hat sie ja auch gute Tage.
Vor
allem hat dieses Pferd zwei Menschen, die es unendlich lieben.
Ich
bin keiner davon!
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